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with Franz & Franziska

Laerm, Staub, Gedraenge und die vielfachen Berichte ueber die spirituellen Erfahrungen in Indien haben uns dazu bewogen, endlich Ruhe in einem Meditationskurs zu finden.

Am spirituellen Ort angekommen, wurden uns gleich unsere geliebten “Zivilisationsinstrumente” (Buecher, Schreibmaterial, Handy, CD-Player ...) abgenommen. Unter strenger Gewahrung der “noble silence” und mit stetem Blick zu Boden wurden wir in geschlechtergetrennte Bereiche geschickt, die unter keinen Umstaenden zu verlassen waren. Neben buddhistischen Moenchen und katholischen Nonnen sollten wir nun fuer zehn Tage unsere innere Ruhe finden.

Am Programm stand taeglich ueber zehn Stunden Nabelbeschau. Unter den staendigen Anweisungen, die sich wie eine haengengebliebene Schallplatte anhoerten (“constantly and persistently”), versuchten wir zwischen fussnaegelkauenden und wettruelpsenden Kollegen unsere innere Ruhe zu finden. Eingeladen vom Schnarchorchester fand ich sie doch tatsaechlich einmal in einem friedlichen Nickerchen....

Kein Wunder, bereits um 3:30 morgens wurde ich vom Wecker meiner koreanischen Nachbarin wach. Ich wusste nicht, ob sie wieder einmal ihre Waesche wusch oder ihre 20 Cremchen auftrug. Gerade als ich um diese unmenschliche Zeit wieder eingeschlief, hoerte ich schon den morgendlichen "Gong" - das bedeutete 4 Uhr und Aufstehen. Statt “Tagwache” zu rufen, was an diesem Ort der Schweigepflicht nicht angebracht waere, startete das Ordnungspersonal mit seinen schrillen Gloeckchen seinen Rundgang. Schnell das Licht aufgedreht, damit sie glauben ich waere schon wach und nicht vor meiner Tuer klingelnd verharren. Doch lang konnte ich nicht mehr im Bett bleiben. Um 4:30 mussten wir naemlich in der heiligen Halle unsere morgendliche zweistuendige Sitzung antreten. Und da fiel es einem naturgemaess schwer, nicht dem Schnarchgesang, der vor allem maennlichen Kollegen, einzustimmen. Doch der kraechzende Gesang aus dem Kassettenrecorder lies mich gleich wieder wach werden mit dem Gedanken, dass Franz damit einen Chillout-Mix auffetten koennte...

Nein, zurueck zur Ernsthaftigkeit und Konzentration ... Der immer unertraeglich werdende Schmerz durch die langen ruhigen Sitzungen, die taeglich insgesamt ueber zehn Stunden dauerten, musste ueberwunden werden. Das kann doch nicht so schwer sein ... Schmerz, wie auch unsere gesamte Existenz, ist impermanent, wurde uns gesagt.

Dazwischen kurze Erholungspausen und unser wohlverdientes Essen. Reis, Reis, Reis in allen Variationen stand am Programm. Die letzte Mahlzeit des Tages - ein paar Reispuffer - wurde um 17 Uhr eingenommen. Der strenge Blick des Ordnungspersonals achtete stets darauf, dass niemand zu viele Reiskoernchen nahm. Der Ernst und die Totenstimmung ermutigten mich so schnell wie moeglich den Speiseraum wieder zu verlassen.

Doch auch ausserhalb dieses Raumes konnte man den staendigen Kontrollblicken des Ordnungspersonals (das bei den Frauen aus zwei psychopathischen Skandinavierinnen bestand) nicht entkommen. Kein Sprechen, kein Toeten von Tieren (auch keine Moskitos und natuerlich kein Fleisch essen), kein Luegen (das war bei der Schweigepflicht ohnehin nicht moeglich), kein sexuelles Fehlverhalten bzw. ueberhaupt kein Kontakt – auch kein Blickkontakt – zu den andersgeschlechtlichen Artgenossen, zaehlten zu den wichtigsten Spielregeln.

Doch wie konnte man mit dem Zimmerkollegen die grundlegendsten Dinge klaeren, ohne auch nur durch Zeichen- oder Schriftsprache zu kommunizieren? Was sollte man wohl tun, wenn der Zimmerkollege versehentlich den eigenen Schluessel nimmt oder einem im Zimmer einsperrt?

Franz erzaehlte mir spaeter von seinem Problem mit Ameisen. Wie duscht man, wenn das ganze Bad am ersten Tag schwarz vor Ameisen ist, weil diese eine der Waschkuebel als neues Nest auserkoren hatten. Franz sorgte fuer eine kurze Sintflut, die zumindest ein kleines Schoepf-Kuebelchen von der Ameisenplage befreite. Sein koreanischer Zimmerkollege war von diesem Massenmord an unseren sechsbeinigen Existenzgenossen so schockiert, dass er fuer den Rest des Kurses von Duschen absah. Bald aergerte sich Franz, dass er die Waescheklammern nicht mitgebracht hat. Aber Gerueche sind schliesslich auch impermanent, sie kommen und gehen, solange man nur nicht tief einatmet.

Langsam begann der Verfolgungswahn... Wo sind die Aufpasser? Kann ich einen kurzen Wortwechsel mit meiner Zimmerkollegin fuehren, ohne dass das Wachpersonal vor der Tuer lauscht? Achtung, ich hoere Schritte...

Ich begann einen Fluchtversuch zu planen. Doch wie sollte ich Franz darueber informieren? Er hatte doch meine Kreditkarten, die ich unbedingt danach brauchte. Durch Zeichensprache in der Meditationshalle – der einzige Raum in dem sowohl Maenner, als auch Frauen einander trafen – konnten wir uns schliesslich Treffpunkte im Dunkeln vereinbaren. Doch meistens wurde einer von uns vom Personal verfolgt und musste den Rueckzug in die bescheidene Schlafresidenz antreten.

Fast heldenhaft, wie wir uns einbildeten, konnten wir am Morgen des sechsten Tages die gemeinsame Flucht vollziehen. Angekommen in Pune, vollgefressen und leicht benebelt durch eine Flasche chilenischen Rotwein, dachten wir uns "Wie schoen kann das Leben sein". Und fuer den naechsten Morgen nahmen wir uns fest vor, eine Stunde zu meditieren ...
smarts meinte am 23. Jan, 18:42:
lol, das klingt nach einer permanent experience *gg* - sehr bildlich beschrieben, es scheint euch also ausgesprochen gut zu gehen und ihr frönt der völligen entspannung der weltreisenden.... liebe grüsse aus dem sonnigen ffm!! 
creature meinte am 25. Jan, 10:50:
der erleuchtung ist es egal,wie man sie erlangt...
ist dazu ein passender buchtitel 
Andrea Lehner meinte am 1. Feb, 17:41:
zum Thema Meditationskurs
Eigentlich wollte ich unbedingt mal einen Meditationskurs besuchen. Ich dachte an ein sabbatical nach dem zu erwartenden Zuendegehen meiner Taetigkeit bei der DB. Aber wenn ich das so lese... hhmmm.... Ameisen in der Dusche und verfolgendes Personal - und Fruehaufsteherin bin ich auch nicht unbedingt ..... auf jeden Fall werde ich den Meditationkurs HIER machen, vielleicht auch nur ein Wochenende.... Danke fuer die Warnung!! :-)
Bussi & noch alles Gute! Andrea 
 
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